Was bedeutet überhaupt, zwischen den Zeilen zu lesen?
Wir versuchen, dass „Unausgesprochene“ unseres Gegenübers herauszufiltern und urteilen anschliessend darüber.
Es bedeutet: Die unterschwellige, nicht offen ausgesprochene Botschaft des Geschriebenen bzw. Gesagten zu verstehen.
Sei es bei privaten Gesprächen, im Geschäftsleben, anlässlich eines Bewerbungsgesprächs oder beim Einkaufen – in vielen Situationen wird reflexartig zwischen den Zeilen gelesen und anschliessend ein Urteil gefällt.
Oftmals geschieht dies absolut unbewusst, weil alles automatisch abläuft - dies scheint uns ganz normal. Doch ist dem wirklich so?
Mit der Kunst der Kommunikation lässt sich scheinbar gutes Geld verdienen, das Angebot an Dienstleistern, welche uns im Kommunikationsbereich weiterbringen möchten, ist gross. Hier wird einem gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen. Vor allem in Bewerbungsgesprächen wird dies regelmässig praktiziert.
Was möchte die Person dir gegenüber mitteilen?
Wie verhält sich dabei Ihre Stimme oder die Tonlage?
Welche Signale sendet man generell über die «Körpersprache»?
Sind die Arme oder die Beine verschränkt?
Wie riecht die Person?
Wie ist die Person gekleidet?
Welche Farben trägt diese Person?
Hat diese Person Tätowierungen? Piercings im Gesicht?
usw.
Ein weiteres Beispiel;
Du begegnest einem Mann mit abgewetzten Kleidern beim Einkauf, er wirkt hektisch, nervös und riecht etwas unangenehm.
Sofort - entwickelt man automatisch eine Abneigung, Mitleid oder fühlt sich gar gegenüber dieser überlegen. Und diese Überzeugung haftet dann an uns an... PUNKT.
Jedoch -
Könnte es doch sein, dass diese Person sehr wohlhabend ist, nur kein Interesse an Mode hat. Er hat seine Kinder am Abend zu Besuch und plant ein Abendessen - aufgrund dessen ist er nervös und schwitzt stark?
Dass uns somit eigentlich ein liebenswerter und herzlicher Mensch begegnet ist?
Habt Ihr soeben zwischen den Zeilen gelesen und Vorurteile gebildet?
Ertappt - wie Ihr bemerkt, begründen Vorurteile auf innerlichen wie äusserlichen Eindrücken.
Und genau diese Vorurteile lösen bei uns automatische Haltungen aus - wie wir uns gegenüber einer Person fühlen, wie wir unser Gegenüber charakterlich einschätzen oder ob wir seinen Aussagen Glauben schenken. Auch wenn sich das Gegenüber gar nicht mündlich äussert und wir diese Person nicht kennen, fühlen wir uns vielfach körperlich oder geistig über- oder unterlegen. Wir lesen dauernd zwischen den Zeilen und urteilen. Automatisch.
Die innerliche sowie die äusserliche Bewertung eines Menschen führt dazu, dass wir uns ein geistiges Konstrukt erschaffen, welches vielfach nicht der Realität entspricht.
Auf so vielen Kommunikationskanälen (Gesprächen, Texten, Lieder, Filmen, Telefonaten, SMS, Social Media etc.) sind die Aussagen nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich und Vieles „muss“ durch das Lesen zwischen den Zeilen erschlossen werden.
Dies ist unter anderem eine Gefühlssache, man „muss“ hören, spüren und fühlen, was zwischen diesen Zeilen steht. Welche tieferen Wahrheiten unter der Oberfläche lagern.
Jedoch gelingt das nicht Jeder und Jedem gleich. Wir sind alle verschiedene Individuen mit verschiedenen Ansichten und Interpretationen.
In der Folge entstehen vielschichtige Probleme und Leiden.
Diverse Kommunikationsprobleme! Betrug! Scheidungen! Hass! Wut! Ängste! Familienprobleme! Beziehungsprobleme! Probleme in einem Team! Im Berufsalltag! Fehlbesetzungen von Vakanzen!
Und zu guter Letzt - verliert man oft den Bezug zu sich selbst. Dies geschieht unbewusst.
Warum hat sich ein solches Verhalten in unserer Gesellschaft manifestiert? Vielleicht;
weil man die Wahrheit nicht sagen darf oder kann?
weil man seine eigenen Gefühle nicht kennt oder sich denen nicht bewusst ist?
aus Scham?
aus Respekt/Respektlosigkeit?
oder einfach, weil dies zum guten Ton gehört?
um anderen Mitmenschen zu entsprechen?
in ein „Idealbild“ zu passen?
oder gesellschaftlichen „Zwängen“ zu gehorchen?
fehlende Gelassenheit?
stark ausgeprägter Egoismus?
Stolz? Hochmut? Arroganz?
Neid? Rivalität?
Oder vielleicht auch, weil;
Menschen interpretieren unter anderem aufgrund ihrer Lebenserfahrung, eigenen psychologisch bedingten Traumatas, welche noch nicht verarbeitet sind, oder auch Gelesenem.
Wir projizieren oft unser Inneres und unsere Gefühle auf unser Gegenüber.
Eigene Probleme auf andere Menschen zu übertragen, ist nebenbei viel einfacher, als sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.
Weshalb können wir uns nicht in jeder Art und Weise akzeptieren?
Weshalb können gewisse Situationen nicht einfach so annehmen wie sie gerade sind?
Weshalb muss man sich verbiegen?
Weshalb muss man sich verstellen?
Weshalb können wir nicht sagen was wir gerade fühlen und denken, egal unter welchen Umständen?
Weshalb muss man Menschen „klassifizieren“?
Weshalb keine Ehrlichkeit?
Weshalb stösst „Offenheit“ oft auf Empörung oder Erstaunen?
Würden wir Menschen den Egoismus minimieren und anderen ohne jegliche Vorurteile begegnen, wäre das Leben einfacher. Kein Anhaften an dualistischem Denken, kein Werten oder Bewerten, kein genereller Dualismus.
Unser Leben könnte befreit und vollkommen sein, wenn unser Denken frei von Dualismus, Anhaftung und Urteilen wäre.
Folglich wäre auch Respekt eine Selbstverständlichkeit und wir könnten auf gut gemeinte Ratgeber für teures Geld verzichten.
Fazit:
Jeder Mensch sollte daher die Gelegenheit nutzen, öfters tief in sich hineinzuhören und diese Gedanken und Gefühle zu reflektieren oder zu meditieren.
Sich mit sich selbst auseinanderzusetzen ist wesentlich wertvoller, als den Fokus auf Andere zu lenken und Urteile zu fassen.
Zudem versuchen weniger Botschaften zwischen den Zeilen zu verstecken, sondern öfters direkt seine Meinung zu sagen und Gefühle offen mitzuteilen.
Dies würde unser Leben um einiges einfacher gestalten.
Ein Leben mit mehr Frieden und Freiheit.
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